S gibt meinen Männern Namen. Toyboy, weißes Hemd, alter Sack… „Ich probiere mich aus“, sage ich. „Hm-m“, meint er spöttisch. „Dich und andere.“
Feh, die Hypochonderin. „Da ist doch was“, sagt sie und streckt mir ihre Zunge entgegen. Ich lege das Besteck beiseite und gucke gequält. „Im Ernst“, sagt Feh und deutet auf ihre Zunge. „Da ist was!“ S angelt sich im Vorbeigehen eine Spaghetti von meinem Teller. „Was ist los?“ fragt er. „Da ist was“, kläre ich ihn auf, während Feh ins Bad läuft. „Ach so“, meint S und nickt.
Manchmal ist alles leicht. Nichtwissen ist leicht. Nichtwissen, was kommt. Nichtwissen, wie lange das Geld reicht. Nichtwissen, ob es mit diesem Job nun funktioniert. Nichtwissen, wie lange wir noch zusammen sind. Dann wieder Angst. Genährt, gefüttert, verdrängt und wieder belebt. Was soll werden ohne ihn? „Etwas Gutes“, bestimmt Feh.
Zu dritt stehen wir vor dem Spiegel und vergleichen Zungen. S hat die schönste, finde ich. S sagt, meine Einstein-Pose wäre auch nicht schlecht. „Bloß bei Feh ist was.“ – „Bleibt doch mal ernst“, sagt Feh und wirft uns böse Blicke zu. Dann klemmt sie sich ein Wattestäbchen und einen Taschenspiegel zwischen die Backen und wir müssen wieder lachen. „Ach komm schon Feh, bleib hier, war nicht so gemeint…“
Im Takt mit S. Reden, laufen, kochen, Quatschmachen – und trinken. Manchmal Sofa und Filme. Der Abstand zwischen unseren Händen gering. Ich spüre jeden Zentimeter. Gering, geringer, Ring… „Du“, sage ich. „Wir dürfen nie.“ S nickt stumm. Er spürt die Zentimeter auch. Familie. S und Feh. Zuhause.
Bitte, bitte mach, dass es immer so bleibt.
Wir liegen irgendwie übereinander und lesen Zeitung. Die Partneranzeigen aufgeschlagen zwischen uns. „Oh-oh-oh!“, ruft Feh aufgekratzt und weint schon wieder vor Lachen. „’Vorzeigbarer Graf sucht solvente Gattin zur Renovierung des Familienschlosses und Fortführung der Primogenitur.’“ Bedauernd lässt sie das Blatt sinken. „Solvent bräuchte ich selber.“
– „Primogenitur!“, wiederhole ich begeistert und fische mein Notizbuch unter dem Couchtisch hervor. „Pri-mo-ge-ni-tur …“
– „Vorzeigbar?“, fragt S verächtlich. „Was soll das denn heißen… ohne Tüte überm Kopf gerade so auszuhalten?“
– „Man müsste selbst mal eine Annonce schalten“, sinniert Feh. „Nur um zu gucken, was passiert.“
S grinst. „Bei dir also sowas wie: Dauer-abgebrannte Drama-Queen ohne Realitätssinn, dafür aber mit einem sicheren Händchen für Vollhonks, sucht Machoarsch oder Finanzplaner mit Faible für verwöhnte Kratzbürsten?“
– „ … der sie auf jedem von ihr perfekt beherrschten Parkett begleitet und in ein Märchen aus 1001 Plänen entführt“, ergänze ich und verlagere meinen Kopf in Fehs Richtung.
Feh nickt. „Genau sowas meine ich“, meint sie betont liebenswürdig. „Oder, wie im Fall von S: Uncharmanter Wohnungserbe und Workaholic-Nerd sucht emotional instabile Sie auf Hühneraugenhöhe, die seine ignorante Seite zu schätzen weiß. Mit ihm erleben Sie die totale Herablassung – ein wahrer Zyniker und Besserwisser…“
-„ … mit zwei entzückenden und wohlerzogenen Findelfrauen unter seinem Dach’“, füge ich hinzu.
S piekt mir mit einem Zeigefinger in die Seite. „’Und diese sprachsexuelle Künstlerin hier wird Sie mit ihrem Vaterkomplex verzaubern… Perverse, Ehebrecher und Kriegsveteranen aufgepasst: Gesucht wird ein schlagkräftiger Dompteur mit Niveau, der ihr bei der systematischen Selbstzerstörung von Bett zu Bett zur Seite steht und die Fesseln der Leidenschaft auch dann nicht löst, wenn sie ihn mit ihren Geschichten ins Sextasia quält…“ -„Klingt eher wie ein Porno“, protestiere ich. „Das hast du jetzt gesagt …“
Ich nehme beide fest an der Hand. Bitte, denke ich. Bitte mach …
S, der Rat- und Tatende. „Wenn du ein Buch schreibst, nenn‘ es ‚Die Göttin der Versuchung’“. Ich pruste los. S bleibt ernst. Mein Lachen verebbt. Sein Nachhall dissonant, verloren in der Stille. Ein harmonischer Dreiklang, gerutscht in einen Tritonus. Disharmonie. Ich zupfe einen unsichtbaren Fussel vom Sofa. „Das war ein Scherz, oder?“, frage ich. „Nein“, sagt S und sieht mich an. „Nein.“ Herzklopfen. Schnell gucke ich weg.
Bitte mach…