Als Alice am Samstag aufwacht, duftet es nach Eiern und Pfannkuchen. Sie schlüpft aus dem Bett und läuft im Schlafanzug in die Küche. S steht am Herd. Alice umarmt ihn stürmisch. „Was ist denn mit dir los?“, fragt S belustigt und macht sich los. Alice tanzt um ihn herum. „Ich bin so ganz und gar geborgen!“, singt Alice. „So ganz und gar!“ S schiebt sie zur Seite. „ Du und deine Geborgenheit, ihr geht jetzt mal Feh und ihren Typen wecken.“ Er wendet einen Pancake in der Pfanne. „Der hier ist nämlich auch gleich ganz und gar.“
Feh und Aladin sind kaum aus dem Bett zu bekommen. Wunderlampen-Liebe. Beim Frühstück halten sie sich an den Händen. Alice verdreht die Augen und schneidet Grimassen. „Heute Laufen?“, fragt S. Alice nickt mit vollem Mund. Sie stubst Feh an, aber die hat nur Augen für ihren Gast. Aladin lässt ihre Hand los. „Darf ich mit?“
Draußen ist es frühlingswarm. Feh schnappt sich Alices Fahrrad und wirft Decken und Proviant in den Korb. „Feh“, fragt Alice und deutet auf die Frischhaltefolie um Aladins Bauch, „warum ist dein Freund ein afrikanischer Wrap?“ Aladin lacht. „Mehr Schwitzen, mehr Gewichtsverlust,“, erklärt er und klopft sich auf die knisternde Brust.
S läuft voraus, dicht gefolgt von Alice. Er triezt sie und lockt. Feh schlingert nebenher. Aladin schwitzt. Zwei Straßen weiter landet die Frischhaltefolie im Müll. Sie halten sich die Bäuche vor Lachen und Seitenstechen. Die Leute gucken. Die Leute lächeln. Und Alice strahlt zurück.
Sie nehmen den Weg durch den Park zum Fluss. Am Ufer zeigt S auf ein verwittertes Gebäude. Ein Haus wie ein Denkmal, die Mauern besprüht. Ganz oben eine Dachterrasse. „Ja“, überlegt Feh, „daraus könnte man was machen.“ Eine eigene Bar? Ein Café? Sie spinnen Pläne. Alice deutet auf eines der Graffiti. Kein Mensch ist illegal. „Ein Flüchtlingsheim!“ Feh nickt begeistert. Schöne Träumerei. Und Aladin sagt: „So muss man leben. Als wäre alles wahr.“ Er sagt es in seiner Sprache, aber Feh versteht ihn. Sie küssen sich. Alice dreht sich um und läuft weiter. Feh, glücklich. Ohne Alice. S holt sie ein. Er sucht ihren Blick. Aber Alice sieht stumm geradeaus.
Später auf dem Balkon. Alice zündet sich eine Zigarette an. Nachdenklich betrachtet sie den Becher vor sich. Eher Irish Coffee als Kaffee. Plötzlich ein Zittern. Ihre Finger zucken unkontrolliert. Verwirrt blickt sie auf ihre Hände. „Wer ist jetzt der Hypochonder?“, fragt Feh. Alice beruhigt sich. Ich bin paranoid, denkt Alice.
Die nächste Zigarette, die sie aus der Schachtel zieht, ist seltsam schwer. „Riecht verdächtig nach Kaugummi“, sagt Feh und lacht los, während Alice in die Wohnung stürmt. „S, sag mal geht’s noch!? Wo sind meine Zigaretten?“
Alice wirft ihre Jacke auf die Psych’sche-Couch. „Gibt es eigentlich auch einen Paranoia-Test?“, fragt sie ohne Umschweife. Dr. Psych nimmt die Brille ab und sieht sie ernst an. „Dazu brauche ich keinen Test, um zu wissen, dass Sie paranoid sind.“ Alice bleibt der Mund offen stehen. Ungläubig. Perplex. Dr. Psych blinzelt. Um seine Mundwinkel zuckt es. Da muss auch Alice lachen. Sieh mal an – Dr. Psych hat Humor.
Vorsichtig drapiert S eine Bananenschale auf dem Müll. Der Turm aus Essensresten neigt sich, ohne umzukippen. Zufrieden dreht er sich um. Vor ihm steht Feh, die Hände in die Seiten gestemmt. „Dein Ernst?“, fragt sie drohend. S schnappt sich eine Packung Chips und drückt sich an ihr vorbei, in Richtung Alice-Zimmer. Wütend sieht Feh ihm nach. „Jetzt lass sie doch mal in Ruhe!“, ruft sie noch, aber S tut, als hätte er nichts gehört.
Alice tippt. Zeichen für Zeichen wandern Worte auf den Bildschirm. Langsam. Schwerfällig. Plötzlich steht S im Zimmer. Geräuschvoll führt er eine Handvoll Chips zum Mund. Alice wirft ihm einen genervten Blick zu. Knister, Knister, Kauen. Alice konzentriert sich wieder auf den Bildschirm. Wort für Wort für – „Du tippst nach dem Bader-Meinhoff-System“, bemerkt S kauend und zerknüllt die leere Packung in der Hand. Alice gibt auf. „Was?“ S grinst, während er das Plastik in den Papierkorb fallen lässt. „Jede Stunde ein Anschlag.“ Im nächsten Moment duckt er sich und der erstbeste Gegenstand, der Alice in die Finger gekommen ist, landet zu seinen Füßen. S hebt ihn auf. Triumphierend hält er ihren Geldbeutel in die Höhe. „April-Miete?“ Alice springt auf und hängt sich an seinen ausgestreckten Arm. Ein einsames 10-Cent-Stück fällt zu Boden, kullert über das Parkett und verschwindet unter dem Schrank. Enttäuscht lässt S die Arme sinken. Im nächsten Moment hat Alice ihm die leere Börse entrissen. „Hätte mich auch gewundert“, bemerkt S trocken. „Wer neuerdings Gleitgel als Abschminkmittel benutzt, ist ganz offensichtlich schon wieder pleite.“ Alice lacht. „Ressourcen-Effizienz ist kein Armutszeugnis!“, stellt sie klar und schüttelt ein paar Kassenbons aus dem Geldfach in den Papierkorb, bevor sie sich nach den 10 Cent umsieht.
Ein lautes Rumpeln lässt beide zusammenfahren. Sie laufen in den Flur. Feh steht fluchend vor dem geöffneten Einbauschrank, mitten in einem Berg von Altglas. Leere Flaschen und Einweck-Behälter rollen über den Boden. S stoppt ein Marmeladenglas mit dem Fuß. „Damit wäre das geklärt“, sagt er zufrieden. „Feh bringt das Altglas weg.“
Dr. Psych spricht wieder von Infantilem. Von Prägung und Urvertrauen. Alice hört nicht zu. Alice denkt an Wortpaare. Kind und kindisch, denkt Alice. In-fan-til. Infam. Inferno. Sie schielt auf den Aschenbecher im Regal. Dr. Psych folgt ihrem Blick. „Wenn Sie rauchen möchten, tun Sie’s ruhig.“ Alice fummelt aus ihrer Tasche eine Schachtel Gauloise hervor, in der es verdächtig klappert. Als sie die Packung öffnet, kullert etwas Buntes in ihren Schoß. „Wohl eher nicht“, murmelt Alice mit Blick auf den Inhalt, bevor sie Dr. Psych die Schachtel entgegen streckt. „Smarties?“