Tests

Frühling.
Ein lachendes Kind im Park – Stich.
Ein fürsorglicher Vater auf dem Spielplatz – Stich.
Eine Schwangere in der U-Bahn – fremd.
Eine Mutter mit Kinderwagen – fremd.
Dein eigenes Ich – fremd.

„Und was suchst du, S?“ fragt Alice einmal. – “Die große Liebe natürlich.“ Er lacht. Aber es ist nur ein halber Scherz.


Ein neuer Fragebogen von Dr. Psych. „Und?“, fragt Feh, die Neugierige. Alice hält ihr das Deckblatt entgegen. Begeistert klatscht Feh in die Hände. „Ich wollte schon immer wissen, ob ich ADHS hab.“ Alice winkt ab. Sie fischt einen Stift aus der Besteckschublade und beginnt, Kreuze zu malen. Schöne Kreuze. Symmetrische Kreuze. Exakt bis zum Kästchen-Rand. Ja, nein, nein – ja, ja, nein. Und von vorne. Doch das nächste Kreuz verrutscht, als Feh ihr das Blatt wegzieht. „Diesmal nicht nach Schema“, sagt Feh entschlossen. Sie nimmt Alice den Stift aus der Hand und tippt auf die erste Zeile. „Erstens: Es fällt mir schwer, Anweisungen zu befolgen.“ Sie lacht. „Soll ich schreiben ‚Kommt auf die Peitsche an‘?“ Alice verdreht die Augen. Feh fährt fort. „Zweitens: Ich habe Probleme, Aufgaben zu Ende zu bringen.“ Schuldbewusst blickt Alice zur Spüle hinüber, wo sich das zur Hälfte abgewaschene Geschirr im Ausguss stapelt. Sie steht auf und sieht sich nach einem Handtuch um. Zwischen den Kräutertöpfen wird sie fündig. Feh hält sie am Ärmel fest. „Drittens: Ich bin schnell von äußeren Reizen abgelenkt.“ Alice macht sich los und beginnt das Geschirr abzutrocknen. Reiz. Reizbar. Reizen… Feh baut sich vor ihr auf. Anklagend wedelt sie mit dem Papier. „Viertens: Ich bin oft abwesend und höre nicht richtig zu!“ Alice wirft das Handtuch in die Obstschale und verlässt die Küche. Feh ruft ihr nach. „Fünftens: Es fällt mir schwer, meine Aufmerksamkeit längere Zeit auf eine Aufgabe zu…“ Aber das hört Alice nur noch halb.


Träume (III)

Er und du, ihr bekommt ein Kind. Einen kleinen Jungen. Freude. Du, im Krankenhaus, allein. Du hältst das Kind im Arm. Da hört es auf zu atmen. Es wird zu Munchs Der Schrei, die Augen zwei leere Höhlen. Du schlägst um dich. Panik. Du schreist. Die Ärzte hasten, hetzen. Da! Es atmet wieder. Erleichterung. Im nächsten Moment wieder tot. Dein Herzschlag setzt aus. Grau, erstarrt, die Wangen hohl. Dann wieder rosig. Dein Herzschlag setzt ein. Tot – lebendig. Tot – lebendig. Die Ärzte zucken mit den Schultern. „Eine einzige Erschütterung“, warnen sie, Zeigefinge hebend. „Eine Erschütterung und es stirbt!“ Ihre Zeigefinger zeigen auf dich, bedrohlich nah. „So kannst du nicht zu ihm“, schreien sie, zeigend. „Kannst es ihm nicht zeigen!“ Und ihre Zeigefinger bohren sich in deine Augen, deinen Leib, stoßen dich weg von dem Kind – deinem, seinem toten, totgeweihten Kind. Angst.