Termin bei Dr. Med. Sorgenfalten falten. „Raucherin?“ Dr. Med sieht dich an. „Bei Ihrem Befund?“
Ein Schulterzucken. Ein Nicken. Pause. „Warum?“ fragt Dr. Med.
Warum ich rauche? Die Frage kommt dir absurd vor. Ebenso wie mögliche Antworten. Tja, das war mir irgendwie am sympathischsten, so im Suchtmittelvergleich… und nachdem’s zur Alkoholikerin nicht gereicht hat… Na bitte, selbst mein Humor ist trocken…
Du beißt dir auf die Lippe. „Welche Drogen würden Sie denn empfehlen?“ Aber Dr. Med lacht nicht.
„Was war nochmal aller Laster Anfang?“ fragt Feh beim Rauchen. Feh ist die Beste. Wir grübeln. „Die Liebe?“ schlägt Feh vor. „Sex?“ werfe ich ein. „Übermut?“ ergänzt Feh. „Untreue?“ überlege ich. Wir klopfen von außen an die Scheibe und geben die Frage weiter. S schaut von seinen Büchern auf. „Müßiggang“, bemerkt er knapp und wendet sich wieder der Arbeit zu. „Müßiggang ist aller Laster Anfang.“ Ah. Wir sehen uns an. Ratlos.
Feh, die mit dem Alkohol. Du, die mit den Zigaretten. Jetzt hat jede ein Laster mehr.
„Im Ernst“, sagt Dr. Med. „Warum rauchen Sie?“ Pause. Du heftest den Blick auf seine Stirn. Falten, fälteln, furchen… – „Damit ich nicht esse“, antwortest du schließlich. Und übersetzt im Stillen: Damit ich nicht fühle.
Dein Körper, der Fremdkörper. Du kannst ihn befüllen, leeren, bearbeiten, entzehren. Die Ausbeute ist gering, der Preis ist hoch. „Ich sag’s ja,“ höhnt eine bekannte Stimme in deinem Kopf. „Ineffizient in jeder Hinsicht.“ BBs Grinsen taucht vor dir auf, feist und selbstgefällig. Unwillkürlich ballst du die Fäuste. Hau ab, denkst du. Hau ab! Du drängst Stimme und Grinsen zurück auf den Erinnerungsfriedhof, zurück in ihr Grab, und trittst die Erde fest. Zwar nicht so gut wie das Unterbewusstsein, sagst du dir, aber immerhin: Ein Grab. Du hebst dein Glas. „Auf die Gegenwart!“ Dieses Leben ist so gut… wer braucht ein Leben danach?
„Was soll ich sagen?“ sagt Dr. Med. „Kommen Sie öfter.“
Mit Feh stürzt du dich in die Leere. Füllst sie neu und tauchst ab. Immer weiter, immer tiefer. Abgrund. Himmel und Hölle. Mal behält sie die Kontrolle, mal du, mal niemand. Nase vorn, wer sich im Griff hat. Gram und Scham für den, der sich verliert. Du liebst Feh.
Komm wir gehen, komm wir gehen zusammen den Bach runter /
Denn ein Wrack ist ein Ort, an dem ein Schatz schlummert /
Dr. Psych spricht von Kontrollverlust. Von Selbststeuerung und Reife. Dr. Psych ist kein Arzt, aber für die Seele. Und appelliert an den Verstand. Verstand und Seele. Passt das zusammen?
Aber es geht mir doch gut, denkst du. Ich merke ja gar nichts, denkst du. Mein Körper ist das gewohnt, denkst du. Der hat sich schon angepasst an die Extreme, denkst du. Von wegen Müdigkeit und Konzentrationsschwäche, denkst du.
Und du konzentrierst dich.
Und dann fällt dir ein: Du hättest noch eine E-Mail schreiben müssen. Und: Dein Laptop liegt vergessen in der Arbeit. Und: Du trägst keine Jacke. Und: Du sitzt in der falschen U-Bahn.
H, der mit dem Shit. Tetrahydrocannabinol. „Du verpasst was“, sagt H. Methylamphetamine. „Ehrlich, nur 1 Euro für 2cb?“ frage ich. „Und da spürt man schon was?“ S kommt zu uns herüber und zieht mich weg. S, der Kümmerer. „Ich suche jetzt Feh“, sagt S, „und dann gehen wir. Und du versprichst mir, dass du nichts kaufst, bis ich zurück bin.“
Ich verspreche es.
Phenethylamine. „Hast du was dabei?“ frage ich H. Schon steht S wieder neben mir. Ich umarme ihn. Stürmisch. Schuldbewusst. Er seufzt. Und hält mich fest.
„Genuss durch Verzicht“, sagt Dr. Psych. „Sie verzichten nicht, genießen immer weiter, stumpfen ab. Suchen nach Intensität, aber die Grenze rückt immer weiter fort.“ Ferner: Man könne Distanz nicht mit Nähe beantworten. Sagt Dr. Psych. Wie wahr.
Fesseln & Freiheit. Dein Körper, der Fremdkörper. Auslieferung. Schlag, Schläger, Beschlag. Peitsche, Gerte, Folter – Erlösung.
Kontrolle ist das Ziel. Und meine Schwäche. „Sie können es selbst nicht“, sagt Dr. Psych. „Also übergeben Sie die Kontrolle anderen. Dann funktioniert es.“ Und? denke ich. Es funktioniert also. Was will man mehr?
Halbschlaf mit Puschkin. Ein schöner Tag mit Frost und Sonne / Liegst du im Schlaf noch, meine Wonne? Schlafen. Schlafen ist wunderbar. Schlaf ist Erlösung. Bis zum Erwachen. Aber Erlösung erkennbar nur im Erwachen. Sterben ist also keine Option. Aber die einzige, die Unausweichliche. Keine Option, aber zwingend. Der Tod als letzte Instanz. Sinn?