Niemands-Land

Erschöpft lässt sich BB auf das Sofa fallen. „Erzähl mir etwas, Alice. Erzähl mir etwas, das nicht auf der Agenda steht.“ Alice, in Gedanken noch bei der eben formulierten E-Mail, blickt auf. Jetzt erst registriert sie die Dunkelheit, die heimlich über sie hereingebrochen ist. Ihre Schreibtischlampe beleuchtet tapfer den kleinen Raum, während draußen vor dem… Weiterlesen Niemands-Land

Tiere

Alice öffnet die Tür. Draußen in der Dämmerung steht ein Leopard. Ein kunstbefelltes Raubtier mit hochgezogenen Schultern und rot gewetzten Krallen, das Fell vor der Brust gerafft. Alice blinzelt. Der Leopard tritt einen Schritt nach vorne und das Licht an der Hauswand fällt auf einen Mantel, schwarz und gelblich gescheckt, der eng um den Körper… Weiterlesen Tiere

Secretary (III)

Alice steht vor dem Sofa und spricht, als hielte sie einen Vortrag. „Frauen in Führungspositionen müssen...“ Seltsam, denkt Fidelio. Alice, dozierend. Ihre Bluse wirft nicht eine Falte, fällt ihm auf. Alice, falten-los. Tadel-los. Doch der Stoff ist dünn für diese Jahreszeit. Zu dünn, denkt Fidelio. Darunter zeichnen sich die Ränder ihres BHs ab. Es war… Weiterlesen Secretary (III)

Secretary (II)

„Wie findest du es?“ Sie schloss einen Reißverschluss und zupfte die Ärmel zurecht. Langsam richtete sie sich auf. Ihr Haar hatte sie zurück gesteckt. Wo es sonst über die Schultern fiel, lag jetzt bloße Haut, vom Stoff ausgespart. Alice legte eine Hand über ihr nacktes Schlüsselbein, und die Frau im Spiegel tat es ihr gleich.… Weiterlesen Secretary (II)

Secretary (I)

Alice rennt gegen Türen in ihrem Kopf. Alice hämmert und schreit, rennt Türen ein und stürmt blind durch Gedankenräume, will nicht sehen und will nicht hören, nicht die eine Stimme hören, die überall und allwissend noch immer kommentiert, alles kommentiert: Was soll das werden, Alice? Ein inszenierter Nervenzusammenbruch? Deine klägliche Rache? Hältst du es wirklich… Weiterlesen Secretary (I)

Fidelio

Bei seinem Namen hätte sie sich beinahe geirrt. Ein Irrtum wie eine Nachwehe, nach dem ersten, dem in-einander-Irren, damals. Fidelio... ob ihm das gefallen würde? Was, wenn sie ihn anriefe, einfach so. Wenn Alice sich melden würde, „nur mal wieder“, im Plauderton. „Hey, ich kann endlich über dich schreiben (Klammer auf: So richtig jetzt, außerhalb von… Weiterlesen Fidelio

Achilleus‘ Pech

S beobachtet sie. Er folgt mit Blicken heimlich jedem ihrer Schritte, verstohlen, feindselig, während sie, ein Irr-Licht, unruhig durch die Wohnung streift. Alice, rastlos. Orientierungslos. Pechmarie, Pech-Alice seit der andauernden, der zermürbenden Erfolglosigkeit ihrer Suche. Selbst Schuld, denkt S, nicht ohne Genugtuung. „Etwas eigenes finden“, hatte sie gesagt. „Mal alleine leben“, hatte sie gesagt, als… Weiterlesen Achilleus‘ Pech

Treibgut

Alice taumelt. Alice treibt. Boden-los, Halt-los. Sich bindend an Termine und Aufgaben wie Treibholz, immer wieder an-schwimmend und an-strampelnd gegen das Hinabgezogen-werden in einen Strudel aus Unruhe und Angst. Gegen den Zwang, Dinge zu zer-le-gen, zu zer.pflü.ck.en, zu zer sch l a g e n, Dinge und Wörter und sich selbst, die ganze Alice. Zu… Weiterlesen Treibgut

Falter und Däumling

Traum.  Du läufst eine steinerne gewundene Treppe hinab, wie in einen Kerker. In dem Saal über dir findet eine Hochzeit statt, doch du bist auf dem Weg zu den Waschräumen. An der Mauer des Kellergewölbes begegnest du deinem goldgerahmten Spiegelbild. Obwohl es nicht deine eigene Hochzeit ist, trägst du ein bodenlanges, weißes Kleid. Es schlackert… Weiterlesen Falter und Däumling

Glut

Alice tastet nach ihrem Handy. 2:15 Uhr. Sie wirft einen Blick zur Seite. S, schlafend. Ein Rücken jetzt, bläulich weiß, Nachtlicht-farben, sich hebend und senkend im gleichen Rhythmus wie das Kommen und Gehen der Gedanken in Alices Kopf, die, hellwach kreisend, Minuten zu dehnen drohen bis zum Tag, ein Tag im Leben eines Kreises, einer Stunde, einer… Weiterlesen Glut

Am Hang

Klatschnass betritt Alice den Flur. Kleine Pfützen bilden sich auf dem Boden, als sie den Schirm ausschüttelt, als sie Jacke und Schuhe abschüttelt wie den Regen, ab-regnend und Regen-ablegend. Sie hält inne und horcht. Im Innern der Wohnung rührt sich etwas. S, zu Hause. Die Garderobe ist übervoll. Mäntel, Mützen, Schals... Winter-Souvenirs. Aufgetragen, abgetragen und… Weiterlesen Am Hang

Hunger und Heim·weh

„Wir haben sie!“, jubelt Feh und fällt Alice um den Hals. „Die Wohnung, wir haben sie!“ Wir? „Du meinst Aladin?“, fragt Alice, und es klingt eigentlich eher wie eine Feststellung. „Eine Wohnung für Aladin?“ Da hört Feh auf zu jubeln. Verlegen löst sie die Umarmung. „Und für mich“, sagt sie dann und beißt sich auf… Weiterlesen Hunger und Heim·weh

Wund·b·rand

Am Morgen nimmt er ihr das Halsband ab. Und Alice fühlt, dass es vorbei ist. Jetzt, denkt Alice, als Herr O die Schnalle in ihrem Nacken löst und kühle Luft den Alice-Hals berührt (schweißnass, von Nackenhaar verklebt): jetzt, vorbei. Das Spiel und das Band, ihrer beider Band. Entbunden. Doch ein Teil des Leders klebt noch… Weiterlesen Wund·b·rand

Eklipse

Herr O war in der Geschichte nicht vorgesehen. Herr O schob sich dazwischen wie der Mond sich vor die Sonne schiebt, manchmal, um die Dinge und Menschen in ein spezielles Licht zu rücken – eine freundliche Erinnerung an das Abgewandte, Hintergründige, wie um zu sagen: Schau her, das ist die dunkle Seite, deine und meine.… Weiterlesen Eklipse

auf·gehoben

Als Alice am Samstag aufwacht, duftet es nach Eiern und Pfannkuchen. Sie schlüpft aus dem Bett und läuft im Schlafanzug in die Küche. S steht am Herd. Alice umarmt ihn stürmisch. „Was ist denn mit dir los?“, fragt S belustigt und macht sich los. Alice tanzt um ihn herum. „Ich bin so ganz und gar… Weiterlesen auf·gehoben

Frau im Mond

Dr. Psych studiert Auswertungsbögen. Stumm vertieft, das Notizbuch aufgeschlagen. Der Stift in seiner Hand schwebt über dem Papier. Unschlüssig. Vage. Na, Dr. Freud?, denkt Alice. Passe ich nicht in deine Schubladen?  „Den letzten Test hätten Sie eigentlich auf Ihre Kindheit beziehen sollen“, bemerkt Dr. Psych, ohne aufzusehen. Alice legt den Kopf schief. „Hab ich doch.“… Weiterlesen Frau im Mond

Tests

Frühling. Ein lachendes Kind im Park – Stich. Ein fürsorglicher Vater auf dem Spielplatz – Stich. Eine Schwangere in der U-Bahn – fremd. Eine Mutter mit Kinderwagen – fremd. Dein eigenes Ich – fremd. „Und was suchst du, S?“ fragt Alice einmal. - “Die große Liebe natürlich.“ Er lacht. Aber es ist nur ein halber… Weiterlesen Tests

Ein untadeliger Mann

Abendessen mit d'Artagnan. Alice erzählt. Ihre Aufregung hat sich gelegt. Das Herz schlägt im Takt, der Atem fließt. Sie erzählt von Anfang an, die ganze traurige Geschichte. Er lacht an den richtigen Stellen und blickt ernst, wenn sie es tut. D'Artagnan ist aufmerksam. D'Artagnan hat Humor. Seine Worte sind elegant, seine Manieren tadellos. Er analysiert,… Weiterlesen Ein untadeliger Mann

Elysium

Riff Raff fährt sie nach Hause. Reise durch die Nacht. Lichter, Autos, Asphalt. Sein Profil schwach beleuchtet. Scharf geschnitten. Sie lauschen Musik. Erik Satie. Alice hält ihre Finger vor die Augen und lässt sie im Takt tanzen. Sie löst sich auf. Sie schwebt. Sie sagt: „Wenn ich reich wäre, hätte ich einen Chauffeur.“ Wäre, hätte, könnte...… Weiterlesen Elysium

Spuren

Eisige Kälte durchströmt Alice. Sie schnappt nach Luft. Wasser rinnt über ihre Beine. „Besser?“, fragt Riff Raff. Er löst die Eispackung von ihrer Haut. Sie schwimmt. Zu Hause vor dem Spiegel. Mit den Händen fährt sie über gespannte Haut. Das gibt Spuren, hört sie ihn sagen. Blau, gelb, violett. Noch warm. Eine Verhärtung in der… Weiterlesen Spuren

Im Nest

Sie haben sich ein Nest aus Decken gebaut. Jetzt malen sie Rauchkringel in die Luft. Alice tippt ein weiteres Wort in den Laptop, nur um es gleich wieder zu verwerfen. Sie fragt sich, an was sich die Menschen festhalten, wenn es keine Zigarette ist. Und wie sich die Menschen selbst zusammenhalten, wenn nicht mit Sätzen,… Weiterlesen Im Nest

Graue Herren (II)

Ihre Jacke, weiß, hängt über der Stuhllehne. Der Spieler hat es nicht eilig. Essen, reden, erkunden. Er genießt. Er will sie erst studieren und dann probieren – alles zu seiner Zeit. Vielleicht könnte er sie an dem Haken... Der Ton einer eingehenden Nachricht unterbricht seine Gedanken. Er spürt, wie Alice sich ihm entzieht. Sie wirft… Weiterlesen Graue Herren (II)

Graue Herren (I)

„Blau oder weiß?“ Alice dreht sich vor dem Spiegel. Sie schlüpft in Jacken und dreht sich. Unverbesserlich, obwohl sie weiß, dass sie zu spät kommen wird, ohnehin schon zu spät kommt, was eine Strafe nach sich ziehen wird – ein Gedanke, der ihr einen kleinen Kick verpasst, der ihr diese leisen Angstschauer über den Rücken… Weiterlesen Graue Herren (I)

Die Schöne

Dr. Psych spricht von der Kunst der Zurückweisung. Von Unpässlichkeiten des Alltags. Und der Kompensation mit Süchten. Alles ist dissoziativ. Abende verkosten: Den Spieler und Gin. Riff Raff und Rotwein. Manchmal Hausbar, mit Feh und S. Manchmal allein. Morgens: Spieglein, Spieglein an der Wand, wer hat den schlimmsten Kater im Land? Du siehst Augen beringt,… Weiterlesen Die Schöne

Flucht

(I) Die Flüchtlinge bevölkern das Hallenbad wie Schwärme ausgezehrter Vögel. Kein Nest, keine Federn. Immer zusammen, immer eins. Diffuse, konturlose Körper. Der Einzelne ist nichts, verliert sich in der Masse. Sie pflügen durch das Nichtschwimmer-Areal, ungelenk. Halb watend, halb sackend. Treiben auf bunten Styroporschlangen umher und sinken gen Grund wie Steine, ohne Halt, aber sich… Weiterlesen Flucht

Vampire

Der Spieler beißt. Arbeitet sich Rücken beißend Rücken entlang, meinen, Stück für Stück. Über Schultern beißend Nacken hinauf und wieder hinunter. Ich, bearbeitbar. Mich-Gravur. Spielerzähne klein und scharf. Ich hab mich gesehnt danach mein Herz zu verlieren / Jetzt verlier ich fast den Verstand / Totale Finsternis, ein Meer von Gefühl und kein Land ...… Weiterlesen Vampire

Leser und Fährte

Rück-Blick (Absol 0) Die Bahn ist gut gefüllt. Menschen, Jacken, Mützen. Ein Scharren und Schniefen. Dein Kopf lehnt am Fenster. Arbeitsmüdigkeit. BB-Müdigkeit. BB ist überall. BB über allen. BB kann, weiß, kennt, will: alles. Du bist... gläsern. Du bist... durch-schein-end. Du atmest tief durch. Du atmest tief. Und bald immer tiefer. Du atmest. Aber du… Weiterlesen Leser und Fährte

Im Stundenglas

Rück-Blick (Absol III) Serail, die erste. 15 Euro je Stunde für ein Bett ohne Decke, ohne Laken. Preis der Sehnsucht. Im Inneren Samttapete und gedämpftes Licht. Unser Zimmer. Ich starre auf das Andreas-Kreuz an der gegenüberliegenden Wand. Absolem tritt hinter mich. „Zieh dich aus.“ Bluse, Rock, Schuhe... „Strapse“, fordert Absolem. Ich rolle meine halterlosen Strümpfe ab… Weiterlesen Im Stundenglas

Unterwerfung

Rück-Blick (Absol I) Du stehst mit dem Kopf zur Wand in seinem Büro. Breitbeinig. Gebückt. Strumpfhose und Unterwäsche liegen abgestreift zu deinen Füßen. Mit den Armen stützt du dich an der Wand ab. Deine Beine zittern. Scham. Draußen Dunkelheit. Die Schreibtisch-Leuchte wirft ihre Schatten durch den Raum und zeichnet deine Silhouette nach. Du denkst, dass… Weiterlesen Unterwerfung

Brotkrumen (Märchen III)

Rückblick. Du spielst Prinzessin. Deine Schwester übt Geige. Es klingt schrecklich schief. Sie ist die „knarzende Tür“ in Hänsel und Gretel. Die Schul-Aufführung wird ihr einziger Erfolg auf dem Instrument bleiben. Aber das wisst ihr jetzt noch nicht. Ihr habt eine Grenze aus Legosteinen durch das Kinderzimmer gelegt. Ihre Hälfte, deine Hälfte. Deine Hälfte ist… Weiterlesen Brotkrumen (Märchen III)

Schätze (Märchen II)

„Sag es“, fordert Absolem. „Was habe ich dir beigebracht?“ Ich schließe die Augen. Das Herz ist ein tiefer dunkler Wald, denke ich. In dem man sich verirrt, verliert, verfängt. Aber der Geist ist ein Schloss. Gemacht um zu wandeln, zu staunen, Schätze zu sammeln.  Und schon laufe ich in Gedanken durch weite Korridore. Vorbei an Türen,… Weiterlesen Schätze (Märchen II)

Abwege (Märchen I)

Absolem ist mal da, mal nicht. Mal so nah, dann wieder fern. Er droht mir im Spiel, macht Scherze, lockt. Bevor es Ernst wird, zieht er zurück. „Mein Mädchen“, sagt er. „Mein Mädchen sagt zur Zeit zu niemandem nein.“ - „Für dich vielleicht schon“, gebe ich zurück. Wehmut. „Kennen Sie das Dornröschen-Syndrom?“ fragt Dr. Psych.… Weiterlesen Abwege (Märchen I)

wahlverwandt

S gibt meinen Männern Namen. Toyboy, weißes Hemd, alter Sack... „Ich probiere mich aus“, sage ich. „Hm-m“, meint er spöttisch. „Dich und andere.“ Feh, die Hypochonderin. „Da ist doch was“, sagt sie und streckt mir ihre Zunge entgegen. Ich lege das Besteck beiseite und gucke gequält. „Im Ernst“, sagt Feh und deutet auf ihre Zunge.… Weiterlesen wahlverwandt

Der Spieler (O’s Ring)

Bei ihm auf dem Sofa. Wir sehen Die Geschichte der O. „Man kann nur das weggeben, was einem wirklich gehört“, sagt die O. „Hm“, mache ich. Und wenn man es gestohlen hat? Der Film ist ein Test; der Spieler lauert auf meine Reaktion. Gelegentlich steht er auf, um nachzuschenken. Wenn er sich wieder setzt, ist er… Weiterlesen Der Spieler (O’s Ring)

brüchig

Ich träume, dass meine Fingernägel abbrechen. Einer nach dem anderen. Splittern und Brechen, Stück für Stück. Riff Raff, denke ich. Was wird Riff Raff sagen? Panik. Ich wache auf. Ich taste. Konturen unscharf. Arme, Hände, Finger – die Enden lang. Geschliffen. Erleichterung. Ich nippe an meinem Glas. Wein fließt. Wein strömt. Liebe strömt. Umfängt, nein,… Weiterlesen brüchig

Time warp

Wir treffen uns in einem Café. Mein Gegenüber ist schmal und von schattengeschmückter Blässe. Seine Züge scharf geschnitten. Mit unbewegter Mine mustert er mein Profil. Lässt den Blick über Hals und Schultern gleiten. Über Brüste, Taille, Arme. Bei meinen Fingernägeln hält er inne. Er greift nach einer Hand und betrachtet sie lange. Streicht über die… Weiterlesen Time warp

Wunderland

Schreiben im Kopf. Immerzu. Ein Flüstern und Raunen im Innern. Vielstimmig, irre. Worte werden zu Fragmenten werden zu – nichts. Ein Gebilde, elastisch, eine Membran, die sich hebt und senkt und ausdehnt und zusammenzieht und – reißt. Ein Schloss in den Wolken, das sich auftürmt und zusammenbricht, auftürmt und einstürzt. „Schreib es auf“, sagt S.… Weiterlesen Wunderland

Extreme

Termin bei Dr. Med. Sorgenfalten falten. „Raucherin?“ Dr. Med sieht dich an. „Bei Ihrem Befund?“ Ein Schulterzucken. Ein Nicken. Pause. „Warum?“ fragt Dr. Med. Warum ich rauche? Die Frage kommt dir absurd vor. Ebenso wie mögliche Antworten. Tja, das war mir irgendwie am sympathischsten, so im Suchtmittelvergleich... und nachdem's zur Alkoholikerin nicht gereicht hat... Na… Weiterlesen Extreme